Performance-Cruiser Teil 3: Bordtechnik, Bauweise und Bauqualität | YACHT

2022-12-02 20:06:12 By : Ms. Coco Chen

Im 3. Teil des großen Vergleichstests der Elf-Meter-Performance-Cruiser müssen die sechs Yachten ihre inneren Werte preisgeben. Wer baut wie aufwändig, wie gut ist die Technik erreichbar?

Alle Teile des Vergleiches der Performance-Cruiser

Der erste und der zweite Teil des großen YACHT-Vergleichstests forderte die sechs Performance-Cruiser. Sie mussten beweisen, was sie unter Segeln draufhaben, wie sie sich steuern und bedienen lassen, welchen Komfort sie unter Deck bieten und wie es um die Ausbauqualität bestellt ist.

Für den dritten Teil des Gruppentests im vorliegenden Heft geht es jetzt buchstäblich ans Eingemachte. Nun werden die Probandinnen unter Deck auf Herz und Nieren überprüft. Dabei dreht es sich um die technischen Komponenten an Bord, deren Güte, Verarbeitung und Installation. Ein weiteres Thema sind die Einbaumotoren, die Zugänge für Wartung und Reparaturen, aber auch die Manövrierbarkeit der Boote unter Maschine im Hafen. Und wir zeigen, wie die Rümpfe und die Decks, die strukturellen Elemente sowie die Anhänge gebaut sind.

Betreffend Herstellung von Rumpf und Deck gilt es, zwei wesentliche Bauverfahren zu unterscheiden. Beim herkömmlichen Handlaminat werden Gewebe aus Glasfaser und Sandwichmaterial in Form vom Hartschaumplatten oder Balsaholz schichtweise in die offenen Negativformen eingelegt und fortlaufend mit Kunstharz getränkt. Im vorliegenden Testumfeld werden die Rümpfe und die Decks der Dehler 38 SQ, der Faurby 370 sowie das Deck der X 4.0 auf diese Weise hergestellt. Für die Kaskos (Rumpf und Deck) der First 36, der J 112 E sowie der Arcona 385 kommt hingegen das deutlich aufwändigere Vakuum-Infusionsverfahren zur Anwendung. Auch der Rumpf der X 4.0 wird auf diese Weise gebaut. Dabei werden die Glasfasern und das Kernmaterial zunächst trocken in die Negativform eingelegt und das Harz unter einer Kunststoffhülle mit Vakuum-Unterdruck eingesogen.

Der bedeutende Vorteil der Vakuum-Methode ist eine geregelte Beigabe einer bestimmten Menge von Harz. Damit können die Werften die Rümpfe und Decks leichter bauen und zudem durchweg beständige Rumpfgewichte garantieren. Und weil die Harzinfusion in einem geschlossenen System (Vakuum-Folie) stattfindet, kann die Emission von Styrol bei der Aushärtung der Strukturen weitgehend vermieden werden. Das ist ökologisch wertvoll und für die Gesundheit der Arbeitenden in der Produktion vorteilhaft, produziert aber auch eine große Menge Kunststoffmüll. Die Gewichte der in nasser Handauflage gefertigten Rümpfe und Decks sind dagegen gemeinhin etwas höher.

Generell allerdings klaffen die Meinungen hinsichtlich Qualität, Beständigkeit und Festigkeit der beiden sehr unterschiedlichen Bauverfahren selbst in Fachkreisen weit auseinander. Deshalb nehmen wir an dieser Stelle von einer generellen Einordnung und Bewertung innerhalb der vorliegenden Testgruppe Abstand. Beide Verfahren zeigen gleichermaßen Vor- und Nachteile.

Auf den Booten aus skandinavischer Produktion von Arcona, Faurby und X-Yachts wird ab Werft zudem ein galvanisierter Stahlrahmen zur Verstärkung der Bodengruppe eingebaut. Diese sogenannten Strongbacks sollen für eine bessere und strukturschonende Ableitung der Kräfte aus dem Rigg und von der Kielaufhängung sorgen. Bei der Dehler 38 SQ, der First 36 und der J 112 E ist die Bodengruppe entsprechend stärker und in monolithischer GFK-Bauweise gefertigt, das heißt als ein durchgehendes und zusammenhängend gefertigtes Bauteil. Sie wird in allen drei Fällen außerhalb vom Rumpf hergestellt und erst nachträglich in die Schale eingeklebt sowie zusätzlich anlaminiert. Bei der First 36 übernehmen überdies die aus GFK gebauten Möbelfundamente eine strukturell tragende Funktion.

Bezüglich der Effizienz und der Dauerhaftigkeit der Rümpfe mit Stahlrahmen gibt es ebenfalls unterschiedliche Ansichten. Eine weitverbreitete Überzeugung ist, dass durch die unterschiedlichen Materialausdehnungen die Gefüge der Bodengruppe einer größeren Spannung ausgesetzt sind, was längerfristig zu Bruch an den Übergängen führen kann. Andere Meinungen attestieren den Stahlrahmen mehr Festigkeit und deutlich geringere Strukturbelastungen als auf Schiffen mit Bodengruppen aus GFK. Eine Gut/Schlecht-Bewertung ist also auch in dem Fall schwierig.

Bezüglich der Kielbeschaffenheit zeigen sich die sechs Testyachten unterschiedlich. Auf der Arcona 385, der J 112 E und der X 4.0 bestehen die Finnen aus Gusseisen mit einem unten angebolzten Ballastkörper aus mit Antimon gehärtetem Blei. Diese Kiele sind mit ihren recht hohen Ballastanteilen und tiefen Schwerpunkten äußerst wirksam. Außerdem wird der Kielschaft bei allen drei Typen schon ab Werft von einem GFK-Profil eingekapselt. Das sorgt für eine beständige Formgebung und für perfekte Oberflächen. Bei der Dehler 38 SQ und bei der First 36 bestehen die Kiele komplett aus Gusseisen, ohne Bleikörper und ohne spezielle GFK-Ummantelungen. Der Ballastanteil ist bei ihnen weniger hoch und die Kiele deshalb etwas weniger effizient. Den Ausnahmefall macht einmal mehr die Faurby 370, deren Kielschaft aus hochwertigem Stahl besteht, die Ballastbombe aus gehärtetem Blei. Auch bei der Faurby wird die Kielfinne mit einer GFK-Hülle umschlossen und das Profil so optimiert.

Die Ruderblätter sind auf allen Booten als Komposit-Konstruktionen aus GFK gebaut. Die Ruderwellen bestehen im Standard aus Aluminium, mit Ausnahme der J 112 E. Bei der in Frankreich gebauten Amerikanerin ist die Ruderwelle aus robustem Edelstahl gefertigt, und das bereits im Standard ab Werft. Für die Faurby und die Dehler ist der Edelstahl-Schaft ebenfalls erhältlich, aber nur als Option gegen entsprechenden Aufpreis. Niro-Ruderwellen haben Vorteile, da sie sehr steif sind und sich bei hohem Ruderdruck oder Kollisionen nicht verbiegen. Der Ruderschaft aus Aluminium dagegen gibt bei hoher Belastung schneller nach, dafür bleiben – etwa bei einer Grundberührung – die Rumpfstrukturen potenziell eher intakt. Und der Alu-Schaft ist leichter als die Welle aus Edelstahl.

Die First 36 ist das einzige Boot im Vergleich mit zwei Ruderblättern. Bei ihr ist deshalb die Mechanik der Steuerung gesondert zu betrachten, weil nicht vergleichbar. Die Quadranten der beiden Ruderwellen sind unter Deck mit einer Schubstange verbunden. Das lange, durchgehende Steuerseil greift direkt auf dem Pleuel an und bewegt so beide Steuerflossen gleichzeitig. Dieses System bietet allerdings keine Redundanz im Fall eines Defekts in der Mechanik der Steuersäulen oder der Seilumlenkung. Zwei getrennte Kabelzüge zwischen Rad und Ruder auf jeder Seite könnten hier mehr Sicherheit garantieren, sind aber aufwändig zu installieren und machen die Steuerung oft schwergängig. Auf der Arcona 385, der Dehler 38 SQ und der X 4.0 ist die Ruderwelle mit den zwei Steuerrädern ebenfalls nur mit jeweils einem durchgehenden Drahtseilzug direkt verbunden. Auch diese Systeme sind zwar nicht redundant, aber in allen drei Fällen besonders kräftig und qualitativ sehr hochwertig ausgeführt. Die Ruderwellen stecken in selbstausrichtenden Kugel- oder Nagellagern, und die Quadranten sind auf allen drei Booten eher über- als unterdimensioniert. Dies gilt auch für die J 112 E mit ihrem großen, einzelnen Steuerrad. Bei ihr bleiben die Wege des Steuerseils auf den Quadranten kurz, mit wenig Potenzial für Schlupf oder unerwünschte Reibung.

Der zweite Sonderfall in Sachen Steuerung ist die Faurby 370. Im Standard wird die schlanke Dänin mit ihrem schmalen Cockpit vernünftigerweise mit einer einfachen Pinnensteuerung ausgeliefert, bei der das Lenkholz, die Ruderwelle und das Ruderblatt eine feste konstruktive Einheit bilden. Mechanische Kraftübertragung und Redundanz bleiben als Themen in diesem Fall außen vor. Gleichermaßen bietet die Faurby als einziges Boot im Testfeld Varianz in der Steuerung. Sie wäre als Option auch mit einem Steuerrad zu bekommen.

Am besten zugänglich ist die Steuerung bei der First 36 durch die riesige Achterpiek. Das ergibt Sinn, weil die Anstellwinkel der doppelten Ruderblätter justiert werden können und öfter auch mal müssen. Ebenfalls perfekt zu erreichen ist der Quadrant auf der J 112 E unter einer Klappe auf dem Achterdeck oder durch die Backskiste. Umständlicher ist der Zugang zu den Lenkseilen und zum Quadranten auf der Arcona 385, der X 4.0 sowie auch bei der Dehler 38 SQ, bei der zur Erreichbarkeit der Seilumlenkungen zunächst eine verschraubte Abdeckung gelöst werden muss.

Performance-Cruiser in der Längenklasse um elf Meter werden in der Regel mit Einbaumaschinen von rund 30 PS Leistung mit Saildrive-Antrieb und einem zweiflügligen Faltpropeller ausgestattet. Dies scheint generell der Standard zu sein. Im Testumfeld trifft das zu für die Arcona, Dehler, First (alle Yanmar) sowie auch für die J 112 E (Volvo Penta). Die Ausnahme macht die X 4.0, die ab Werft mit einem stärkeren 40-PS-Aggregat von Yanmar ausgestattet wird. Das ergibt Sinn, weil die Dänin innerhalb der Testgruppe nicht nur das größte, sondern auch das schwerste Schiff ist. Auch die Faurby passt nicht ins Schema. Bei ihr baut die Werft im Standard nur eine 20-PS-Maschine von Volvo Penta ein. Das Upgrade zum Motor mit 30 PS drängt sich in ihrem Fall auf, was zwar möglich, aber mit Aufpreisen verbunden ist. Auch das Testschiff wurde entsprechend aufgerüstet.

Upgrades zu stärkeren Antrieben mit 40 PS Leistung werden zudem für die Arcona 385 sowie für die Dehler 38 SQ angeboten. Als einziger Hersteller im vorliegenden Wettbewerb haben die Schweden von Arcona Yachts für ihre 385 zudem bereits eine konkrete und spezifizierte Elektro-Alternative im Angebot. Das System von Oceanvolt mit Saildrive-Motor leistet 15 kW, was einem Diesel-Äquivalent von rund 45 PS entspricht. Der Aufpreis für den Elektroantrieb bei Arcona inklusive Batteriebank und Steuerung liegt bei rund 32.000 Euro, was ziemlich happig ist und zum Überlegen zwingt. Aber auch die übrigen Marken im vorliegenden Vergleich klammern das Thema Elektroantriebe nicht gänzlich aus. Alle Werften arbeiten derzeit recht intensiv an entsprechenden Angeboten für ihre Schiffe.

Im Test auf dem Wasser und im Hafen zeigt die Arcona 385 unter Maschine die lebhafteste Manövrierbarkeit. Sie ruft mit nur wenig Schub unmittelbare Reaktionen hervor und lässt sich auf kleinstem Raum leicht und lebhaft drehen. Auch die J 112 E ist unter Motor einfach zu bugsieren und demonstriert ein gutes Ansprechverhalten sowohl beim Beschleunigen vorwärts wie auch rückwärts. Die im Vergleich etwas schwerere Dehler 38 SQ benötigt für die Akzeleration etwas mehr Zeit und mehr Schub, reagiert dann aber ebenfalls ohne Verzögerungen auf die Ruderausschläge. Das gilt auch für die X 4.0 trotz der stärkeren Maschine mit 40 PS Leistung.

Konstruktionsbedingt sind die Reaktionen der First 36 beim Vorwärtsbeschleunigen etwas träge, weil die beiden Ruderblätter vom Maschinenschub nicht direkt angeströmt werden. Es dauert länger, bis das Boot auf das Ruder reagiert, und es braucht dafür mehr Speed. Dafür sind die Reaktionen beim Rückwärtsbeschleunigen und Einlenken umso schneller und heftiger. Mit ihrer Pinnensteuerung ist die Faurby im Hafen leicht und einfach zu manövrieren, und sie reagiert auch sehr gut. Allerdings muss man die Pinne bei forcierter Rückwärtsfahrt sehr gut festhalten, damit sie nicht auf eine Seite ausbricht, was für Mensch und Gerät fatal sein kann – einer der wenigen Nachteile einer Pinnensteuerung. Der sorgsame Umgang mit dem Gashebel ist hier auf jeden Fall Gebot.

Weil Motoren ab und an auch mal kon­trolliert und gewartet und im schlimmsten Fall sogar mal ersetzt werden müssen, ist die Zugänglichkeit ein wichtiges Thema. Hier kann die Faurby 370 trumpfen, auf der sich der Niedergang als komplettes Element entfernen lässt und so die Maschine weitgehend freigibt. Zudem ist auch der Saildrive durch eine Klappe achtern bestens zu erreichen. Ebenfalls von allen Seiten durch große Inspektionsluken gut zugänglich sind die Maschinen und deren wichtigste Komponenten auf der Arcona 385, der X 4.0 sowie der First 36.

Wie der Motor von jedem selbst gewartet werden kann, erfahren Sie hier

Die Dehler-Werft in Greifswald baut bei der 38er den Saildrive vor der Maschine ein und nicht dahinter, was aus Gründen des Gewicht-Managements nicht ganz ungewöhnlich ist. Der Nachteil: Die Maschine ist von vorn durch den hochgeklappten Niedergang nur schwer zu erreichen, lediglich die Inspektionsluken seitlich verschaffen Zugänge. Dafür sind diese auch ziemlich groß ausgeschnitten. Der Maschinenraum der J 112 E ist recht beengt. Die Komponenten sind zwar erreichbar, es fehlt aber an Platz für Wartung und Ersatz. Positiv zu bewerten ist hingegen die große Klappe in der Achterkabine für einen besonders guten Zugriff auf den Saildrive.

Bezüglich der Tankkapazitäten können die X 4.0 und die Dehler 38 SQ vorlegen. Sie bieten deutlich mehr Speicherreserven für Diesel (180/160 Liter) und für Frischwasser (270/295 Liter) als die Wettbewerber. Insbesondere auf der Faurby 370 sind die Füllmengen hingegen knapp bemessen, mit maximal 64 Liter Treibstoff und 110 Liter

Frischwasser im Standard. Natürlich zeigt sich die Faurby-Werft auch diesbezüglich sehr flexibel und baut auf Wunsch und nach Möglichkeit auch größere Speicher ein. Auf der Arcona 385 sind alle Tanks an Bord (auch Schwarzwasser) aus Edelstahl gebaut. Niro-Tanks gibt es auch auf der J 112 E für den Treibstoff sowie auf der Faurby generell als Option. Auf der X 4.0 besteht der Dieseltank aus Aluminium, was eher unüblich, bei X-Yachts aber der Standard ist.

Im Testfeld sind die elektrischen Installationen ordentlich gemacht, die Kabel sauber und nachvollziehbar verlegt sowie wo nötig beschriftet. Spitzenreiter diesbezüglich ist einmal mehr die Arcona 385, die sich generell bei den technischen Installa­tionen die Punkte holt. Achteraus fällt dagegen die J 112 E, auf der insbesondere die elektrische Verkabelung partiell eher unsauber verlegt ist und die Kabel teilweise nur ganz grob mit Heißkleber befestigt sind.

Das Zwischenfazit nach dem dritten Teil des Vergleichstests: Die sechs Yachten bündeln auch bezüglich der Bauverfahren, der Technik, der Ausstattung sowie der Verarbeitung im Detail viele Vor-, aber auch Nachteile. Das macht es weiterhin schwierig, eine eindeutige Testsiegerin zu bestimmen. Die Rechnung bleibt offen. Wie sie ausfällt, erfahren Sie in Teil 4.

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